Samstag, 5. Dezember 2015

Jahr der Barmherzigkeit

Eine Weihnachtsgeschichte ohne Puderzucker Frei nach Werner Reiser - sie heißt "Die drei Gaben": Als die drei vornehmen Gäste aus dem Morgenland auf höheren Befehl Bethlehem und das Kind in der Krippe verlassen hatten, nahten sich drei andere Gestalten. Sie kamen ohne Gefolge, unauffällig und unansehnlich. Mühsam setzten sie Schritt vor Schritt. Ihre Gesichter waren so von Staub bedeckt, dass man die Hautfarbe kaum erkennen konnte. Der Erste von ihnen ging in Lumpen und blickte unruhig um sich. Offenbar war er durstig und hatte Hunger. Hohle Augen, die zu viel Leid gesehen hatten, saßen in den tiefen Höhlen. Der Zweite ging vornüber geneigt. Er trug Ketten an den Händen, Durch die weite Reise und das lange Tragen waren die Hände wundgescheuert. Die Füße bluteten. Der Dritte hatte wirre Haare und einen unsteten und suchenden Blick, als ob er nach etwas Verlorenem Ausschau hielte.Die Leute, die um das Haus des Neugeborenen herumstanden, hatten schon viele ungewöhnliche Besucher gesehen. Aber als diese drei Gestalten auf sie zukamen, wichen sie scheu zurück. Sie waren zwar selbst arm, aber so elend und verwahrlost wie diese Drei sah keiner von ihnen aus. Unwillig rückten sie zusammen. Es war, als wollten sie einen Gürtel um das Haus legen, um die Drei daran zu hindern, einzutreten. Sie sahen auch, dass die Männer nichts bei sich trugen, das sie als Geschenk hätten abgeben können. Waren sie etwa gekommen, um etwas zu holen? Einige dachten an das Gold, das die reichen Besucher aus dem Morgenland vor kurzem im Haus niedergelegt hatten. Jeder hatte davon erzählt. Wollten sie das? Das Gemurmel wurde immer lauter.Da wurde von innen die Tür geöffnet, Joseph trat heraus. Joseph kam heraus und beschwichtigte sie: „Ihr Leute, zu diesem Kind hat jedermann Zutritt arm oder reich, elend oder vornehm, anständig oder unanständig, vertrauenswürdig oder verdächtig. Es gehört niemandem allein! Nicht einmal uns, seinen Eltern. Lasst alle herein!" Verwundert über die Worte Josephs machte man den Dreien Platz. Nun standen sie vor der Krippe und betrachteten lange und stumm das Kind. Schließlich brach Joseph das Schweigen. Er fühlte, dass er der am reichsten Beschenkte an diesem Abend war. Es drängte ihn, seine Dankbarkeit für alles Empfangene auch diese Armseligen spüren zu lassen. In einer Nische in der Wand neben der Krippe leuchteten die drei Gaben, die die vornehmen Besucher hingelegt hatten. Joseph hob sie auf und streckte sie den Fremden entgegen: dem Zerlumpten das Gold, dem Gefesselten die Myrrhensalbe und dem Traurigen den Weihrauch. Und er sagte zu dem Ersten: „So wie ich sehe, brauchst du am ehesten das Gold. Kaufe dir damit Nahrung und Kleider. Ich habe einen Beruf und werde meine Familie auch ohne Gold ernähren können." Und zum Zweiten sprach er: „Ich kann dir zwar deine Ketten nicht abnehmen, aber diese Salbe wird deinen geschundenen Händen und Füßen wohltun" Und zum Dritten sagte er: „Nimm den Weihrauch. Sein Wohlgeruch wird deine Trauer nicht vertreiben, aber deine Seele erquicken." Alle gerieten in Bewegung. „Er verschenkt alles, was er an Kostbarem für das Kind erhalten hat, flüsterten sie einander zu und konnten diese Sorglosigkeit nicht verstehen. Grenzte diese Verschwendung nicht an Beraubung des Kindes? Doch die Drei schüttelten einmütig die Köpfe, Der Erste antwortete: „Ich danke dir für dein großes Angebot. Aber sieh mich an! Wer bei mir Gold findet, wird mich sofort als Dieb verdächtigen. Ich habe für andere Gold aus der Erde gegraben und selber nie etwas besessen. Behalte es für dein Kind. Du wirst es bald brauchen. " Der Zweite antwortete: „Ich habe mich an meine Wunden gewöhnt, ich bin an ihnen zäh und stark geworden. Behalte die Myrrhe für dein Kind. Wenn es geschundene Hände und Füße haben wird, kann sie helfen," Der Dritte antwortete: „Ich komme aus der Welt der Religionen und Philosophen, ich bin an ihnen irre geworden. Ich glaube nichts mehr. In der Wüste des Denkens habe ich Gott verloren. Was soll mir da der Weihrauch? Er würde nur meine Zweifel umnebeln. Aber er könnte mir Gott nicht ersetzen."Alle erschraken über diese Worte. Auch Maria und Joseph bedeckten ihre Gesichter mit den Händen. Nur das Kind lag da, mit offenen Augen. Die Drei traten ganz nahe zu ihm und sagten: „Du bist nicht aus der Welt des Goldes, der Myrrhe und des Weihrauchs - so wenig wie wir. Du gehörst in die Welt der Not, der Plage und des Zweifels. Darum schenken wir dir, was uns und dir gemeinsam ist." Der Erste nahm einige seiner Lumpen, legte sie auf das Stroh und sagte: „Nimm meine Lumpen. Du wirst sie einmal tragen, wenn sie dir deine Kleider nehmen und du allein und nackt sein wirst. Dann denke an mich." Der Zweite nahm eine seiner Ketten und legte sie ihm neben die Hand. „Nimm meine Fesseln. Sie werden dir passen, wenn du älter bist. Man wird sie dir einmal umlegen, wenn man dich wegführt. Dann denke an mich." Der Dritte beugte sich tief über das Kind und sagte: „Nimm meine Zweifel und meine Gottverlassenheit. Ich kann sie nicht allein tragen. Sie sind mir zu schwer. Nimm sie und schreie sie heraus, wenn die Stunde kommt." Tief erschrocken hielt Maria die Hände abwehrend über das Kind. Zornig reagierten die Menschen: »Jagt sie fort! Sie legen Unheil auf das Kind!" Joseph griff in die Krippe, um Lumpen und Fesseln wegzunehmen. Aber es war, als ob sie mit dem Kind verwachsen wären. Das Kind selber lag still da und sah die drei Männer an. Nach langem Schweigen erhoben sie sich. Sie streckten sich aus, als ob etwas Schweres von ihnen abgefallen wäre. Sie hatten den Ort gefunden, wo sie ihre Last niederlegen konnten. Sie wussten: bei diesem Kind war sie gut aufbewahrt. Es würde alles bis zuletzt durchgetragen: die Not, die Plage und die Gottverlassenheit. Mit zuversichtlichem Blick und festem Schritt gingen sie wieder hinaus. "Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären und sie werden ihm den Namen Immanuel geben - übersetzt: "Gott mit uns."uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben und die Herrschaft ruht auf seinen Schultern, und sein Name heißt: Wunderbarer Ratgeber, Mächtiger Gott, Vater auf ewig, Fürst des Friedens"[Jesaja 9,5] Amen.

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